TKOM_Produktionsvorlage_01_2019_DRUCK - page 6

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eismann beschäftigt sich seit
Jahren intensiv mit der Land-
flucht im gesamten ländlichen
Raum. Seine Forschungen zeigen, dass
es im Gegensatz zu Italien und Frank-
reich, wo es teilweise komplett ent-
siedelte Talschaften gibt, in Österreich
und speziell in Tirol deutlich günstiger
aussieht. „In Tirol hat es durch den
früh einsetzenden Tourismus solche
massive Entsiedelungen nie gegeben.
Und es ist auch nicht zu erwarten,
dass es je dazu kommt“, sagt Beis-
mann.
Es gebe zwar unumstritten einen
Trend in Richtung urbanen Raum,
dieser sei jedoch keineswegs so stark
ausgeprägt, dass man sich dramati-
sche Sorgen um die ländlichen Gebiete
machen müsse. Noch dazu gebe es
Entwicklungen, die der Landflucht
eindeutig entgegenwirken, wozu
Beismann unter anderem die fort-
schreitende Digitalisierung zählt.
Beismann: „Eben diese Digitalisierung
ermöglicht es, dass hochqualifizier-
te Jobs am Land verbleiben, zumal
dadurch ja die Vernetzung mit dem
urbanen Raum gesichert ist. Die Kom-
munikation wird ungemein erleichtert,
Einschränkungen aus der Vergangen-
heit fallen einfach weg.“
Geändert hat sich laut Beismanns
Expertisen auch das Wohnverhalten.
War es früher durchaus Usus, von der
Geburt bis zum Lebensabend am sel-
ben Ort zu verbleiben, ist auch diesbe-
züglich die Mobilität deutlich gestie-
gen. Und der Geograf ist sich sicher,
dass sich dieser Trend in Zukunft noch
verstärken wird.
Er ortet inzwischen auch eine Ten-
denz, dass viele Menschen mit dem
übertriebenen Neoliberalismus nicht
mehr einverstanden sind. „Die Men-
schen befreien sich sozusagen aus
dem Würgegriff dieser Entwicklung“,
findet Beismann deutliche Worte.
Hinsichtlich des ländlichen Raumes
hat sich seiner Ansicht nach in Tirol
die Einstellung in den vergangenen
Jahren deutlich verändert, wird dieser
doch nicht mehr primär als rückstän-
dig gesehen. „Auch hier spielt der
Tourismus wieder eine große Rolle,
sind die Tiroler Seitentäler mit ihren
Skizentren doch weltweit bekannt“,
sagt Beismann.
Trotzdem hält er es für angebracht,
dass auch unser Bundesland hinter-
fragt wird. Um eine gedeihliche Wei-
terentwicklung zu ermöglichen, gilt es
für ihn folgende Fragen zu klären:
Meldungen über eine schrumpfende Landbevölkerung bestimmen immer
häufiger die Schlagzeilen. Der Innsbrucker Geograf Michael Beismann weiß
freilich zu berichten, dass die Situation in Tirol längst nicht so dramatisch ist
wie etwa in gewissen Regionen in Italien oder Frankreich. Dennoch sei es
nötig, neue Konzepte zuzulassen, damit das Leben am Land auch in Zukunft
attraktiv bleibt.
VON PETER LEITNER
AUCH DER STARKE TOURISMUS TRÄGT DAZU BEI, DASS TIROLER TÄLER NICHT ENTSIEDELT WERDEN
„IN SACHEN LANDFLUCHT
STEHT DAS LAND TIROL
NOCH SEHR GUT DA“
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TIROL.KOMMUNAL FEB 2019
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