TKOM_Produktionsvorlage_04_2018_WEB - page 3

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or etwas mehr als vier Jahren, am 1. Juli 2014, ist
nach jahrelangen intensiven Bemühungen und von
heftigen politischen Diskussionen begleitet die Novel-
le, LGBl. Nr. 70/2014, zum Tiroler Flurverfassungslandesge-
setz 1996 in Kraft getreten. Anlass war die über Jahrzehnte
hindurch geübte – und letztendlich durch den VfGH als
verfassungswidrig angesehene – Praxis der Agrarbehörde, im
Zuge von Regulierungsverfahren Gemeinden das Gemeinde-
gut mit Bescheid zu entziehen und auf gleichzeitig gegrün-
dete Agrargemeinschaften zu übertragen. Da dessen unge-
achtet der Substanzwert bei den Gemeinden verblieb, war
der Landesgesetzgeber gefordert, eine entsprechende Geset-
zeslage herzustellen. Die Verwaltung der Gemeindeguts-
agrargemeinschaften erfolgt seither durch ein vom Gemein-
derat bestelltes Organ der Agrargemeinschaft, den Substanz-
verwalter.
Wenngleich die organisationsrechtlichen Bestimmungen
zur Verwaltung der Gemeindegutsagrargemeinschaften im
Lichte der Verwaltungsökonomie keineswegs nobelpreisver-
dächtig sind, hat sich in der Praxis doch gezeigt, dass das
Gesetz grundsätzlich funktioniert.
Dennoch bin ich so wie Dr. Heinrich Kienberger, ehema-
liger Vorstand der Abteilung Verfassungsdienst und ehema-
liges Mitglied des Verfassungsgerichtshofes, unverändert der
Meinung, dass der Landesgesetzgeber noch nicht eine in
jeder Hinsicht verfassungskonforme Rechtslage hergestellt
hat. Dazu wäre es nötig, auch das formale Eigentum am
Gemeindegut wiederum von den Agrargemeinschaften an
die Gemeinden zurückzuführen. In seiner kürzlich erschie-
nenen Monographie mit dem Titel „Das Gemeindegut als
Verfassungsproblem“ arbeitet Dr. Kienberger präzise und
unaufgeregt heraus, dass die Rücküberführung der verfas-
sungswidrig an Agrargemeinschaften übertragenen Gemein-
degutsgüter an die Gemeinden nicht nur kein Problem wäre,
sondern verfassungsrechtlich geboten ist.
Auch ich halte diesen letzten Schritt für unausweichlich
und es kann nur eine Frage der Zeit sein, bis dessen Reali-
sierung erfolgt.
Ernst Schöpf
EDITORIAL
DAS GEMEINDEGUT ALS
VERFASSUNGSPROBLEM
TIROLER GEMEINDEVERBAND
IM INTERNET
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