Page 42 - Tirol Kommunal
P. 42

 KOMPLEXE TRAGWERKSPLANUNG IM BAUWESEN
ZEITGEMÄSSE FORMEN DES
BAUENS UND IHRE BASIS
 Auskragende Gebäudeteile, Glasfassaden, großzügige
 Dachaufbauten – neue statische Berechnungsmodelle
 und innovative Technologien machen vieles möglich,
 was früher undenkbar war.
 Das klassische Baumodell war einfach, effizient und nicht besonders flexibel. Vertikale
Lasten und horizontale Einwirkungen wurden über durchgängig angeord­ nete tragende Elemente in den Boden abgeleitet. Zwischen den tragenden Wänden spielte sich die individuelle Aufteilung der Räumlichkeiten ab.
Dank technologischer Innovationen und computerunterstützter statischer Berechnungsmethoden lassen sich die Kräfte, die auf ein Bauwerk wirken, mittlerweile von Stockwerk zu Stock­ werk umverteilen, auch wenn die tra­ genden Bauteile nicht vertikal überei­ nander angeordnet sind.
Je komplexer die Aufgabenstellung, desto komplexer allerdings auch die Anforderungen an die Statik. Trag­ werksplaner verfügen über ein pro­ fundes Fachwissen, das sie stetig erweitern und auf die umfangreicher werdenden gesetzlichen Vorschriften, Normen und Richtlinien sowie die Erkenntnisse aus der Wissenschaft abstimmen.
Großzügige Räume
Weit auskragende Bauteile, durchgän­ gige Fassadenverglasungen und eine Umverteilung der Traglasten schaf­ fen viel Freiraum, um speziell multi­ funktionale Bauten wie Dorfzentren ansprechend umzusetzen. „Compu­ terunterstützte Berechnungen, neue Technologien und Materialien haben das Bauen revolutioniert“, betont in diesem Zusammenhang Jörg Berg­ mann, Obmann der Fachgruppe Bau­ wesen in der Kammer der Ziviltechni­ kerInnen für Tirol und Vorarlberg.
Dazu kommt, dass früher schwer zu bebauende Untergründe dank technischer Neuerungen entspre­ chend aufbereitet werden können.
Böden, die bisher als instabil galten, werden so präpariert, dass sie die Voraussetzungen für eine Bebauung erfüllen. Gerade in Tirol, wo Baugrund knapp und teuer ist, eine wichtige Veränderung. „Stich­ worte sind hier geotechnische Maß­ nahmen aus dem Spezialtiefbau, wie etwa Hochdruck­Bodenvermörtelung
oder Rüttelstopfverdichtung, bei der Rüttelstopfsäulen in den Untergrund eingebracht werden“, erläutert Berg­ mann. Die Tragwerksplaner liefern die nötigen Berechnungen.
Mögliche Einwirkungen durch Naturereignisse wie Schneelasten oder Sturmböen fließen in die stati­ schen Bemessungen ein, genauso die Tatsache, dass Tirol seit jeher zu den Gebieten in Österreich zählt, die am stärksten erdbebengefährdet sind. „Die Lastenabtragung muss in jedem Fall funktionieren. Je flexibler der Grundriss, desto sensibler reagiert allerdings das Gebäude auf Lastein­ wirkungen aus Erdbeben, Wind und Schnee“, ergänzt Bergmann.
Multifunktionale Nutzung
Das umfangreiche gesetzliche Nor­ menwerk gibt die Rahmenbedingun­ gen für die Bemessungen vor. Reichte in den 1960er­Jahren noch der Trag­ sicherheitsnachweis, sind längst Gebrauchstauglichkeit und Lebens­ dauer eines Gebäudes in den Fokus
-42-
TIROL.KOMMUNAL OKTOBER 2019














































































   40   41   42   43   44