Page 28 - Tirol Kommunal 04 2020
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  MARIANNE HENGL BESUCHTE FÜR TIROL.KOMMUNAL LISI UND ANDI LERCHSTER
BEEINDRUCKENDE
STEHAUFMENSCHEN
 Das Leben als Prüfstein: Schwere Erkrankungen, Geldsorgen,
 gescheiterte Beziehungen und ein behindertes Kind. Lisi Lerchster
 wurde vom Leben immer wieder in die Knie gezwungen. Als die Ehe
 zerbrach, wurde sie Alleinerzieherin von drei Kindern und gelangte
 an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit. Angesichts einer erneuten
 Krebserkrankung drohte Lisi Lerchster am Leben zu zerbrechen.
 Im letzten Moment bekam Lisi Lerchster Hilfe und wurde so zum „Stehaufmenschen“. Mit viel
Freude und Kraft kann sie sich seither ihrem behinderten Sohn widmen, der heute erwachsen ist.
„Es geht uns gut. Wir haben ein schönes Leben, oder Andi, was sagst Du?“, fragt Lisi Lerchster ihren Sohn. „Ja“, antwortet der Andi, ein deut­ liches, langgezogenes Ja. Andreas
ist jetzt 35 Jahre alt, er wird zu früh geboren, gleich 14 Wochen vor dem Geburtstermin. „Er war so klein, das kann man sich nicht vorstellen, er war nur eine Handvoll Mensch. Ich hab’ ihn gesehen, und ich hab mich sofort so in ihn verliebt, es war ein Wahnsinn“, erinnert sich Lisi. Genau 980 Gramm bringt das Baby auf die Waage, das vom ersten Tag an einen
Überlebenskampf führen muss. Der kleine Andreas ist offenbar ein ganz großer Kämpfer, und das muss er auch sein. Er überlebt eine Herzope­ ration und einen Darmverschluss und noch einige andere Komplikationen.
Ein ganzes Jahr lang muss das Früh­ chen im Krankenhaus bleiben, und Lisi wundert sich nicht, dass Andi mit allem später dran ist als andere Kinder. Er hat ja so viel aufzuholen. Erst mit eineinhalb Jahren wird Lisi Lerchster dann wirklich klar, dass ihr Sohn schwer behindert ist. „Ob man das davor verdrängt hat oder ob es einem nie gesagt wurde, heute ist das einerlei“, sagt die Frau. Die Diagnose „Spastische Tetraparese“, also spasti­ sche Ganzkörperlähmung, ist damals jedenfalls ein Schock für sie. Umso mehr, als sich der Vater des kleinen
Andreas schon in der Schwanger­ schaft verabschiedet hat und Lisi mit ihrem behinderten Kind alleine zurücklässt.
Es wird jeden Tag deutlicher, dass Andreas immer auf Hilfe angewiesen sein wird, auf sehr viel Hilfe. Wahr­ scheinlich auf genauso viel, wie er jetzt als Baby braucht. Er wird nicht sitzen, nicht gehen, nicht selbststän­ dig essen und trinken können.
Ihre Eltern und ihre Schwestern unterstützen Lisi in ihrer schweren Aufgabe, die sie mit Anfang 20 auf­ gebürdet bekommt. „Andreas war ja das erste Enkerl, was die Oma mit ihm Zeit verbracht hat, sie hat ihn stundenlang liebevoll gefüttert, wie ein Vögelchen, damit er ein biss­ chen mehr Gewicht kriegt“, erinnert
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TIROL.KOMMUNAL AUGUST 2020















































































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