Page 32 - Tirol Kommunal 05-2020
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 DAS NEUE BUCH „STEHAUFMENSCHEN” IST SEIT KURZEM IM HANDEL ERHÄLTLICH
DAS SCHICKSAL IN
DIE HAND GENOMMEN
 Das schwere Leben der Lisi Lerchster war Inhalt einer Geschichte
 in der vergangenen Ausgabe von tirol.kommunal. Nachfolgend wird
 diese von Marianne Hengl, der Obfrau von RollOn Austria weiter
 erzählt. Hilfe kam für die leidgeprüfte Frau gerade noch rechtzeitig.
 Wild entschlossen und hoch erhobenen Hauptes kämpft sie sich ihre Selbstachtung
zurück. Sie arbeitet am Abend und in der Früh, dazwischen sorgt sie für ihre Kinder, Andreas ist tagsüber in einer Betreuungseinrichtung. Eine Zeitlang geht das gut, doch Lisi ist immer öfter richtig erschöpft. Bald stellen sich bei der dreifachen Mutter ausgeprägte Angstzustände ein. Die Eltern, die bislang Felsen im familiä- ren Gefüge waren, leben nicht mehr. Sie fehlen Lisi, und sie fehlen den Kindern, die auch noch ohne Vater sind.
Alle drei Söhne leiden massiv unter der Situation, der Kleinste verwei- gert schließlich mit acht Jahren die Nahrungsaufnahme und muss in der Klinik betreut werden. „Sie haben
alle drei gemerkt, wie schlecht es mir geht. Ich glaube, für Kinder gibt es
nichts Schlimmeres, als keine Sicher- heit mehr zu verspüren.“
Heute noch bedauert Lisi, dass sie damals nicht mit ihren Söhnen mehr
Ich glaube, für Kinder gibt es nichts Schlimmeres, als keine Sicherheit mehr zu spüren. Bei mir haben letztlich alle drei gemerkt, wie schlecht es mir selbst gegangen ist.
über die Situation gesprochen hat. Aber wer selbst keine Kraft mehr hat, der fährt eben auf Sparflamme, das ist
Lisi Lerchster auch klar. Für sie selbst sollte es in der Folge noch schlimmer kommen. Sie fühlt sich kraftlos, hat keinen Appetit mehr, verliert immer mehr an Gewicht. Dann entde-
cken die Ärzte, dass in ihren Körper nach vielen Jahren der Krebs wie-
der zurückgekehrt ist. Lisi Lerchster muss wieder operiert werden, auch die Wirbelsäule ist vom Tragen ihres behinderten Sohnes kaputt und wird an zwei Stellen versteift. Das alles ist zweifellos mehr, als ein Mensch ertra- gen kann.
„Ich war am Ende“, erinnert sich Lisi Lerchster, „ich stehe auch dazu. Wenn ich umgefallen und tot gewe- sen wäre, ja“, sagt sie und zuckt mit den Achseln, „dann wäre es das halt gewesen, ich hatte einfach überhaupt keine Kraft mehr.“
Was dann passiert, gibt es eigent- lich nur im Märchen. Eine liebe
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TIROL.KOMMUNAL OKTOBER 2020













































































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