TKOM_Produktionsvorlage_01_2019_DRUCK - page 60

Vom Wegerhalter kann aber nicht
verlangt werden, eine Straße so zu
warten, dass absolut und ausnahmslos
keine Gefahr einer Vereisung besteht.
Um sich als Straßenerhalter vor einer
allfälligen Inanspruchnahme durch
Verunfallte abzusichern, sind durch
diesen vorab Prüfungskriterien zu
beachten:
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Ist die konkrete Gefahr für den auf-
merksamen Straßenerhalter schwer
oder leicht erkennbar?
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Wie hoch ist die objektive Wahr-
scheinlichkeit eines Schadens?
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Was ist im Einzelfall zur Abwehr
von Gefahren erforderlich, möglich
und zumutbar?
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Welche Maßnahmen (Weiß-,
Schwarzräumung, Splitt-, Salzstreu-
ung, Umläufe) sind nach der „Ver-
kehrsauffassung“ bei objektiver,
sachkundiger Betrachtung „üblich“.
Das „Abklopfen“ sämtlicher Straßen-
züge im Betreuungsgebiet auf diese
Fragen ist die Grundlage eines für alle
Verkehrsteilnehmer sicheren Winter-
dienstes und beugt für den Erhalter
unliebsamen (Haftungs-) Überra-
schungen vor.
Organisationsverschulden:
Darunter ist zu verstehen:
A) Unzureichende technische
Infrastruktur: In diesem Fall wären –
natürlich vor dem Winter – zusätzlich
Dritte zu beauftragen (Frächter, Land-
wirte), die fehlenden Gerätschaften zu
ergänzen.
B) Mangelhafte Organisation des
Winterdienstes (z.B. zu wenig Perso-
nal beschäftigt, unzureichende WD-
Planung), daher in der WD-Vorberei-
tung unbedingt beachten:
1.) Einteilung der Straßenzüge nach
Wichtigkeit bzw. Verkehrsaufkommen
(z.B. für Entscheidung ob Schwarz-
oder Weißräumung wichtig).
2.) Routen- und zeitliche Umlaufs-
planung.
3.) Zusätzliches Personal bzw.
Beauftragung Dritter.
C) Mangelnde Dokumentation des
geleisteten Winterdienstes: Je genauer
diese Aufzeichnungen geführt werden
(schriftliche Dokumentation, GPS-Pro-
tokollierung der Räum-, Streu- und
Kontrollfahrten; festzuhalten ist die
Route, der Zeitraum, die gestreute
Menge und das Streumaterial wie
Splitt oder Salz), desto leichter lässt
sich der Nachweis eines ordnungsge-
mäßen Winterdienstablaufes im Streit-
fall nachweisen. Die schlechtesten
„Karten“ hat, wer nichts dokumentiert!
Grundlage für die winterdienstliche
Betreuung von Straßen stellt die RVS
12. 04. 12 („Schneeräumung und Streu-
ung“ samt zugehörigen Arbeitspa-
pieren – „ergänzende Einweisungs-
unterlagen“; s. aber auch noch RVS
14. 02. 16: „Einweisungsunterlage für
das Winterdienstpersonal“) dar. Diese
RVS (Richtlinien und Vorschriften für
das Straßenwesen) werden von der
Forschungsgesellschaft Straße, Schie-
ne, Verkehr (FSV;
) her-
ausgegeben. Diese RVS ist als „Stand
der Technik“ anzusehen und wird im
Streitfall von den Gerichten als Maß-
stab der winterdienstlichen Betreuung
einer Straße angewendet, zumal sich
im Anhang 1 und 2 der RVS 12. 04. 12
das Anforderungsniveau für den Win-
terdienst auf verschiedenen Straßen-
zügen (Bundes-, Landes- und Gemein-
destraßen) findet. Es wird daher jeder
Gemeinde empfohlen, sich mit diesen
RVS eingehend zu befassen.
Es ist jedoch zulässig, Streuung und
Schneeräumung einzustellen, wenn
sie durch ständigen Schneefall nutzlos
wird (nur dann wird eine ununter-
brochene Streuung und Räumung als
unzumutbar angesehen. ACHTUNG:
Dies gilt nur bei extremen Verhältnis-
sen). Dies deckt sich auch mit den
Bestimmungen des Tiroler Straßen­
gesetzes §46 Abs. 3 lit. b).
Der Straßenmeister oder Winter-
dienst-Organisationsleiter der Gemein-
de kann bei Gefahr im Verzug (extre-
me Wetterlage, Lawinengefahr) ein
vorübergehendes Fahrverbot ohne
Verordnung erlassen, ist aber ver-
pflichtet, parallel dazu die zuständige
Bezirkshauptmannschaft zu verständi-
gen (Aufstellen des Verkehrszeichens
Fahrverbot gem. §44bStVO erforder-
lich!).
Zur Streu- und Räumpflicht von
Liegenschaftseigentümern im
Ortsgebiet nach §93StVO:
Umfang der Räum- und Streupflicht
siehe eingangs. Den verpflichteten
Anrainer trifft volle Haftung, d. h.,
das Privileg nach §1319aABGB
(beschränkt auf grobe Fahrlässigkeit)
gilt hier nicht, ein Anrainer haftet
daher auch für leichte Fahrlässigkeit!
Achtung: Für eine Gemeinde, die den
Winterdienst auch (teilweise) auf
Gehsteigen durchführt, ist von beson-
derer Wichtigkeit, dass die faktische
Räumung und Streuung bestimmter
Gehsteige oder Gehwege durch die
Gemeinde über einen längeren Zeit-
raum zu gleicher Haftung wie der des
Anrainers führen kann (stillschweigen-
de Übernahme durch die Gemeinde).
Es empfiehlt sich hier, vor Beginn des
Winters die Gemeindebürger geson-
dert zu informieren, dass eine solche
Leistung nur nach Maßgabe der freien
Kapazitäten und freiwillig erfolgt und
daher die Verpflichtung des jeweiligen
Anrainers nach §93StVO nach wie vor
aufrecht ist.
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TIROL.KOMMUNAL FEB 2019
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