TKOM_Produktionsvorlage_01_2019_DRUCK - page 59

DER WINTER BIRGT FÜR GEMEINDEN OFT RECHTLICHE PROBLEME
HAFTUNGSFRAGEN IM
WINTERDIENST
W
interdienst in den Alpen­
regionen stellt den Straßen­
erhalter nicht nur vor logis-
tische Probleme, er ist auch häufig
mit rechtlichen Fragen konfrontiert,
die sich oftmals nicht immer ganz
einfach lösen lassen. Dadurch, dass
keine Straße mit einer anderen völlig
identisch ist, stellt die Rechtsprechung
der Gerichte immer auf den Einzelfall
ab. Dadurch kann aus dieser Recht-
sprechung lediglich ein Leitfaden an
Empfehlungen für den Winterdienst
abgegeben werden („Der konkrete
Umfang der zu treffenden Maßnah-
men hängt immer von den Umständen
des Einzelfalls ab“ = Spruchpraxis
des OGH.).
Als Rechtsgrundlagen für die Stra-
ßenerhaltung sind sowohl das ABGB,
das Tiroler Straßengesetz und die Stra-
ßenverkehrsordnung heranzuziehen.
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§1319a ABGB regelt die Haftung
des Straßenerhalters für den man-
gelhaften Zustand einer Straße,
wobei die Haftung auf grobe Fahr-
lässigkeit beschränkt ist.
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§46 Tiroler Straßengesetz (Erhal-
tung der Straßen) verpflichtet den
Straßenerhalter, die Straße in einem
Zustand zu erhalten, dass diese
unter Bedachtnahme auf die Witte-
rung und die Verkehrsverhältnisse
gefahrlos zu benützen ist.
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§93 Straßenverkehrsordnung
(Pflichten der Anrainer) verpflich-
tet jeden Liegenschaftseigentümer,
dessen Grundstück an die Straße
grenzt, den Gehsteig von 6:00 –
22:00 Uhr auf einer Breite von drei
Meter geräumt zu halten. Befindet
sich dort kein Gehsteig, ist auf einer
Breite von einem Meter geräumt zu
halten.
Der Straßenerhalter haftet nach der
zentralen Bestimmung des §139a
ABGB nur für grobe, nicht aber
für leichte Fahrlässigkeit. Aus die-
ser Bestimmung ist die Einsicht des
Gesetzgebers zu entnehmen, dass der
Straßenerhalter (nicht nur) bei win-
terlichen Verhältnissen nicht immer,
sofort und überall aufgetretene Mängel
beseitigen kann (angefangen von Reif,
über Schnee- und Eisglätte bis hin
zum umgestürzten Baum etc.).
Beurteilungsmaßstab für die Annah-
me des mangelhaften Zustandes
eines Weges (hier gemeint auch Stra-
ße!) ist:
Das Verkehrsbedürfnis
und die Zumutbarkeit des
Erhaltungsumfanges hängt von
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der Art des Weges,
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dessen Widmung (öffentl. Straße –
Interessentenstraße),
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der geografischen Lage und
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der Natur der Benützung
ab.
Besonderes Augenmerk ist daher zu
richten auf:
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Die Wichtigkeit des Verkehrsweges.
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Höhere Anforderungen an die Streu-
pflicht im Ortsgebiet oder auf stark
frequentierten Durchfahrtsstraßen
im Freilandgebiet als auf einer
Zufahrt zu einer kleinen Siedlung
einer Gemeinde.
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Kleinen Gemeinden ist weniger Auf-
wand zuzumuten als großen.
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Wegabschnitten, die dem Straßen­
erhalter als gefährlich bekannt
sind, ist besonderes Augenmerk zu
schenken:
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durch intensivere Streuung, aber
auch
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durch Kennzeichnung von nicht
erkennbaren Gefahrenstellen, z.B.
durch Aufstellen von Gefahrenzei-
chen (§§ 49 und 50 StVO).
Aus Sicht der Rechtsprechung kann nur ein
Leitfaden an Empfehlungen abgegeben werden.
VON DR. DIETMAR TSCHENETT
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AUS DER PRAXIS
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