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Nach ständiger Judikatur des OGH
stellen Bestimmungen der Gemein-
deordnung über die Vertretungsbe-
fugnis von Organwaltern nicht bloße
Organisationsvorschriften über die
interne Willensbildung dar. Sie schrän-
ken zugleich die Vertretungsbefugnis
des Bürgermeisters ein.
Zwei Beispiele: Anlässlich einer
Feierlichkeit sichert der Bürgermeister
einem Unternehmer ein Grundstück
der Gemeinde für eine Betriebserwei-
terung zu einem konkreten Preis zu,
ein Gemeinderatsbeschluss liegt nicht
vor. Einem Autohändler verspricht
der Bürgermeister, in seinem Unter-
nehmen ein neues Dienstfahrzeug
zu einem konkreten Preis zu erwer-
ben, wobei die Anschaffung eines Kfz
bereits budgetiert wurde.
Sind diese Rechtsgeschäfte gültig
zustande gekommen und kann die
Gemeinde aus diesen mündlichen Ver-
einbarungen verpflichtet werden?
Wer mit einer Gemeinde einen
Vertrag schließt, muss lt. ständiger
Judikatur des OGH die für ihre Wil-
lensbildung geltenden öffentlich-recht-
lichen Beschränkungen auch dann
gegen sich gelten lassen, wenn er sie
nicht gekannt hat. Gemeinden werden
durch die spezielle Bestimmung des
§ 867 ABGB gegenüber Privaten privi-
legiert. Dies kommt auch im § 2 ABGB
zum Ausdruck, wonach sich niemand
darauf berufen kann, dass ihm ein
gehörig kundgemachtes Gesetz oder
eine Verordnung nicht bekannt ist.
In den Gemeindeordnungen Öster-
reichs finden sich unterschiedliche
Regelungen über die Zuständigkeiten
der jeweiligen Organe. In Tirol obliegt
z.B. gem. § 30 Abs. 1 lit. j TGO die
Entscheidung über Erwerb, Veräuße-
rung und Belastung von Liegenschaf-
ten obligatorisch dem Gemeinderat.
Da für eine verbindliche Zusage zur
Grundstücksveräußerung ein ent-
sprechender Gemeinderatsbeschluss
vorliegen muss, kann der Bürgermeis-
ter oder ein sonstiger Organwalter eine
derartige Zusage nicht verbindlich
treffen und kann sich sein Gegenüber
nicht darauf berufen. Anders sieht der
Fall aus, wenn der Gemeinderat einen
Grundsatzbeschluss zur Grundstücks-
veräußerung fällt und den Bürgermeis-
ter ermächtigt, Preisverhandlungen zu
führen.
Der OGH judiziert in diesem
Zusammenhang, dass der Bürgermeis-
ter nur im Rahmen der Geschäftsfüh-
rungsbefugnis vertretungsbefugt ist.
Ist für den Abschluss eines spezifi-
schen Rechtsgeschäfts eine Entschei-
dung durch das Gemeindegremium
erforderlich, ist dies als konkrete
Beschränkung der Vertretungsbefugnis
des Bürgermeisters anzusehen. Das
Rechtsgeschäft kommt somit ohne
Mitwirkung des Gemeindegremiums
grundsätzlich nicht zustande. Ein vom
Bürgermeister mündlich abgeschlosse-
nes Rechtsgeschäft kann jedoch nach-
träglich genehmigt werden.
Hinsichtlich der Zusage des Bür-
germeisters für die Anschaffung
eines neuen Dienstfahrzeugs sieht
die Situation anders aus. Liegt der
Kaufpreis des Fahrzeuges innerhalb
der 5%-Klausel gem. § 30 Abs. 1 lt. p
TGO, kommt dem Bürgermeister eine
eigenständige Dispositionsbefugnis
im rechtsgeschäftlichen Verkehr zu.
Aufgrund der Zusage des Bürgermeis-
ters ist das Rechtsgeschäft somit gültig
abgeschlossen, sofern der Kaufpreis
nicht 5% des ordentlichen Haushalts
übersteigt. Hat jedoch der Bürger-
meister den Anschein einer Vertre-
tungsbefugnis bei dem Vertragspartner
dahingehend erweckt, dass ein kon-
kreter Beschluss bereits gefasst wurde
oder nicht notwendig ist, muss sich
die Gemeinde u.U. dieses Rechtsge-
schäft zurechnen lassen. Dasselbige
gilt, wenn seitens des Gemeinderates
aufgrund der beschlossenen Budge-
tierung der Anschein erweckt wurde,
dass der Verkaufspreis im Rahmen
des gefassten Beschlusses ist bzw. der
Bürgermeister in dieser Sache vertre-
tungsbefugt ist.
Kommt das Rechtsgeschäft auf-
grund der Anscheinsvollmacht zustan-
de und wird dies im Nachhinein durch
Beschluss nicht saniert, kann dies
u.U. zu internen haftungsrechtlichen
Konsequenzen führen. Kommt das
Rechtsgeschäft jedoch nicht zustande,
kann daraus eine Schadenersatzpflicht
gegenüber dem Rechtsgeschäftspart-
ner entstehen.
FÜR VERSCHIEDENE ORGANE GIBT ES HINSICHTLICH ZUSTÄNDIGKEITEN UNTERSCHIEDLICHE REGELUNGEN
ARBEITSVOLLMACHT UND
VERTRETUNGSBEFUGNIS
Oft gestellte Frage: Kann eine Gemeinde nach mündlich getroffenen
Aussagen in die Pflicht genommen werden?
VON MAG. BERNHARD SCHARMER
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TIROL.KOMMUNAL Juni 2018
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