TKOM_Produktionsvorlage_05_2018_web - page 43

Nun besteht in der Praxis aber das
Problem, dass Kaufverträge auch über
solche Liegenschaften nicht zuvorderst
mit der Gemeinde, sondern vielmehr
primär mit privaten Interessenten
abgeschlossen werden, was in weite-
rer Folge jedoch dazu führt, dass auch
jene Liegenschaften, die zur Erfüllung
der der Gemeinde zugedachten Auf-
gaben geeignet wären, insbesondere
auch solche, die der Befriedigung drin-
gender Wohnbedürfnisse zugeführt
werden können, diesem Zweck entzo-
gen werden, da bereits ein Vertrags-
verhältnis mit einem anderen Erwer-
ber besteht.
Gerade für die vorgenannten Fälle
erschiene es nicht nur zweckmäßig,
sondern mit Hinblick auf die Bau-
landmobilisierung zu erschwingli-
chen Preisen sogar dringend gebo-
ten, das Interessentenmodell des
§7aTGVG von Gesetzes wegen auch
auf die Gemeinden zu erstrecken.
Die Gemeinden sollten im Wege der
Erweiterung des Interessentenkreises
grundsätzlich in alle jene Verträge
„einsteigen“ können, welche Grund-
stücke betreffen, die einem grundsätz-
lichen Erwerb durch die Gemeinde im
Sinne des § 5 lit. f TGVG zugänglich
sind, insbesondere weil die Voraus-
setzungen des § 6 Abs. 9 lit. b TGVG
vorliegen oder diese Grundstücke der
Erfüllung anderweitiger Zwecke der
Gemeinde dienlich sein könnten.
4. Eine solche Erweiterung der Inter­
essentenregelung begegnet weder vor
dem Hintergrund des Art. 10 Abs. 1 Z6
B-VG
(Danach kommt die Zivilrechtskompe­
tenz in Gesetzgebung und Vollziehung dem Bund
zu. Art. VII B-VG-Novelle BGBl Nr. 444/1974
sieht hinsichtlich der Regelung des Verkehrs mit
land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken
allerdings eine ausdrückliche Ausnahme vor.)
noch mit Hinblick auf die geltende
Grundrechtsordnung gravierenden
Bedenken, zumal eine solche Rege-
lung weder als unsachlich anzusehen,
noch als unverhältnismäßiger Eingriff
in die Eigentumsfreiheit zu werten
wäre.
Der Verfassungsgerichtshof hat die
bisherige Interessentenregelung in sei-
ner jüngeren Rechtsprechung bereits
mehrfach für verfassungskonform
erklärt.
(VfSlg. 19.783/2013; 19.817/2013.)
Mit der Ausweitung derselben auf
die Gemeinden käme lediglich ein
weiterer Interessent hinzu, dem von
Gesetzes wegen die Möglichkeit des
Einstieges in ein bereits abgeschlosse-
nes Rechtsgeschäft eröffnet würde. Die
Aufnahme eines weiteren Interessen-
ten in das Gesetz ist mit Hinblick auf
die mit dem TGVG selbst verfolgten
öffentlichen Interessen insbesondere
im Bereich der Baulandmobilisierung
nicht unverhältnismäßig.
(Damit liegt
auch kein Verstoß gegen den verfassungsrecht­
lichen Gleichheitssatz des Art. 2 StGG bzw. des
Art. 7 Abs. 1 B-VG vor; vgl. zu den diesbezüg­
lichen Grenzen des Gesetzgebers etwa VfSlg.
18.706/2009 uvam.)
Da der Einstieg in das Rechtsgeschäft
zu denselben Bedingungen erfolgt wie
sie mit dem ursprünglich angedachten
Erwerber vereinbart worden sind, liegt
auch keine Beeinträchtigung der Pri-
vatautonomie, die über die Eigentums-
freiheit verfassungsrechtlich geschützt
wird
(VfSlg. 12.227/1989; 14.500/1996;
14.503/1996; Öhlinger/Eberhard, Verfassungs­
recht11 (2016) Rz 868 mwN.)
, vor.
Der Erwerb durch die Gemeinde kann
mit Hinblick auf § 5 lit. f TGVG auch
nicht als unsachlich erachtet werden,
da die Gemeinde auch schon jetzt
zum Erwerb land- oder forstwirtschaft-
licher Grundstücke berechtigt ist, soll-
ten diese zur Erfüllung der ihr oblie-
genden Aufgaben benötigt werden. Bei
Erweiterung des Interessentenmodel-
les auf die Gemeinde wäre lediglich
sichergestellt, dass die Gemeinde auch
tatsächlich die Möglichkeit erhält,
die ihren Zwecken dienlichen Liegen-
schaften zu erwerben, sollten diese
einem anderen Erwerber angeboten
worden sein.
Durch die allfällige Aufnahme einer
entsprechenden gesetzlichen Verpflich-
tung, wonach die erworbenen Grund-
flächen von der Gemeinde ausschließ-
lich für die angedachten öffentlichen
Zwecke zu verwenden sind, könnte
zugleich bewerkstelligt werden, dass
nur in jene Rechtsgeschäfte eingetre-
ten würde, die sich auf tatsächlich von
der Gemeinde benötigte Grundstücke
beziehen.
Die bisherige Privilegierung der Land-
wirte nach dem derzeit geltenden §
7 a TGVG ist jedenfalls dort sachlich
nicht begründbar, wo es um Liegen-
schaften geht, an denen ein Rechts­
erwerb sowohl durch als gemeinnützig
anerkannte Bauvereinigungen als auch
durch Gemeinden zur Erfüllung der
gesetzlich angedachten Zwecke geht.
Gerade und mit Hinblick auf die Ver-
pflichtung der Gemeinden, im Rah-
men der ihr zukommenden örtlichen
Raumplanung unter Einschluss der
Anwendung der Vertragsraumordnung
für leistbares Wohnen Sorge zu tragen,
wäre die Einbeziehung der Gemeinden
in die Interessentenregelung des § 7a
TGVG vom Tiroler Landesgesetzgeber
dringend anzudenken. Da sich das
Eintrittsrecht im Sinne einer solchen
Interessentenregelung ohnedies nur
auf Liegenschaften beziehen kann,
die keiner ausschließlichen landwirt-
schaftlichen Nutzung vorbehalten
sind, stünde auch nicht zu befürchten,
dass bei Normierung eines solchen
Eintrittsrechtes den Zielsetzungen des
land- und forstwirtschaftlichen Grund-
verkehrs zuwider gehandelt würde.
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AUS DER PRAXIS
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